So vermeiden Sie die Eskalation bei gewaltbereiten Bewohnern

Wenn Pflegekräfte Gewalt ausüben, ist die Empörung auf allen Seiten groß – zu Recht. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob diese Gewalt durch ein Tun, wie etwa Anschreien und Schlagen, oder ein Unterlassen

Uwe Trevisan

von Uwe Trevisan

Wenn Pflegekräfte Gewalt ausüben, ist die Empörung auf allen Seiten groß – zu Recht. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob diese Gewalt durch ein Tun, wie etwa Anschreien und Schlagen, oder ein Unterlassen, wie z. B. das Ignorieren des Klingelns oder gar von Schmerzäußerungen des Bewohners, erfolgt. 


Gewalt gegen Pflegebedürftige ist ohne Diskussion tabu! Doch wie sieht es mit der Gewalt von Pflegebedürftigen aus? Man hört nur selten von diesen Fällen – und doch wissen wir alle aus unserer Praxis, dass Gewalt von Pflegebedürftigen zum Alltag der Pflegekräfte gehört. Allerdings ist der Umgang mit dieser Gewaltäußerst schwierig


Die wichtigsten Tipps für Sie und Ihre Mitarbeiter, wie Sie Gewaltbereitschaft erkennen und darauf richtig reagieren, erhalten Sie im Folgenden.


Ihre Mitarbeiter haben im Bewohner immer eine fürsorgebedürftige Person vor sich. D. h., es muss immer gut überlegt sein, ob es im jeweiligen Einzelfall angemessen ist, zurück zu schimpfen oder einen Bewohner etwa festzuhalten.


Gewalt gegen Pflegende

Die typischen Formen der Gewalt gegen Pflegekräfte sind Beleidigungen, Gewaltandrohungen und auch Übergriffe. Wie Ihre Mitarbeiter darauf reagieren, ist von ihrer Persönlichkeit, ihren Erfahrungen und erlernten Verhaltensmustern abhängig. Auch wenn es nicht immer sichtbar ist, müssen Sie davon ausgehen, dass schon verbale Gewalt Auswirkungen auf Ihre Mitarbeiter hat. Nicht selten gerät eine angegriffene Pflegekraft in eine Art Schockzustand. Sie verspürt 

  1. Wut,
  2. Selbstzweifel,
  3. Ohnmacht,
  4. Angst und
  5. Schuldgefühle.

Diese Gefühle bedeuten für Ihren Mitarbeiter Stress. Und Stress kann wiederum zu körperlichen Erkrankungen wie etwa Kopf- und Rückenschmerzen führen. D. h., Gewalt von Bewohnern gegen Ihre Mitarbeiter kann – egal in welcher Form – zu Unzufriedenheit und erhöhter Fluktuation führen. In manchen Fällen kann sich die Belastung etwa durch ständige Beschimpfungen eines Bewohners bis hin in den Privatbereich Ihres Mitarbeiters ziehen und auch dort für Probleme sorgen.


Bei manchen Menschen müssen Sie mit Gewalt rechnen

Gewalttätiges Verhalten geht zumeist von bestimmten Personengruppen aus. Dazu gehören vor allem

  1. Alkohol- oder Drogenabhängige,
  2. Menschen in einem Schockzustand,
  3. Personen mit einer psychotischen Erkrankung oder
  4. an einer Frontotemporalen Demenz Erkrankte.

Zumeist geht einer Gewalthandlung ein bestimmtes Verhalten bis hin zur Drohung voraus. Selten schlägt oder tritt ein Mensch plötzlich zu. Gewaltbereitschaft können Ihre Mitarbeiter in vielen Fällen schon im Vorfeld erkennen und darauf reagieren. Ein aggressiver Mensch ist oft psychomotorisch unruhig und hat eine feindselige Grundhaltung gegenüber seinem Umfeld, bevor es aus ihm herausbricht. Es kann sein, dass die Aggressionen auch wahnhaft sind und deshalb aufgrund einer Verkennung der Situation entstehen.


1. Ziel: Gewalt von Bewohnern vermeiden

In solchen stimmungsgeladenen Situationen müssen Ihre Mitarbeiter vor allem auf Folgendes achten:

  1. Der Bewohner benötigt eine Rückzugsmöglichkeit, bei der er sich sicher fühlt.
  2. Vermeiden Sie missverständliches Handeln, etwa schnelle Bewegungen auf den Bewohner zu, wenn dieser sich bereits bedroht fühlt.
  3. Lassen Sie den Bewohner keinen Zeitdruck oder gar Ungeduld spüren.
  4. Vermeiden Sie eine rigide Atmosphäre, in der Ihr Bewohner das Gefühl hat, keine Alternative zu haben. Versuchen Sie beispielsweise, ihm im Gespräch eine Wahl zu lassen, wie die Situation aufgelöst werden kann.

Wenn ein Bewohner eine Pflegekraft bedroht, fühlt er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst bedroht. Deshalb ist es wichtig, dass Ihre Mitarbeiter ihm sowohl durch ihr Verhalten als auch durch ihre verbalen Reaktionen einen Ausweg bieten. Sie dürfen einen aggressiven Bewohner niemals in die Enge treiben.


 In Übersicht 1 lesen Sie, welches Verhalten auf Gewaltbereitschaft hindeutet und wie Sie sich dabei am besten verhalten.


Es ist wichtig ist, dass Ihre Mitarbeiter nicht das Gefühl haben, Sie als ihr Vorgesetzter halten sie für unfähig, wenn sie mit aggressiven Bewohnern nicht „fertig werden“. Sagen Sie ihnen, dass Sie die Schwierigkeiten solcher Situationen kennen und deshalb auch nicht unterschätzen. Sorgen Sie mit Ihren Personalentwicklungsmaßnahmen dafür, dass in den Wohnbereichen die Bezugspflege im Rahmen einer strukturierten Teamarbeit stattfindet. 


Bieten Sie Ihren Mitarbeitern an, an einem spezifischen Deeskalationstraining teilzunehmen. Anhand der Nachfrage können Sie direkt erkennen, wie sehr sich Ihre Mitarbeiter in Ihrer Einrichtung möglicherweise schon Gewalt von Bewohnern ausgesetzt fühlen.


Bei unmittelbar drohender Gefahr für Mitarbeiter, Bewohner und/oder andere Personen können Ihre Mitarbeiter ohne ärztliche Anordnung eine freiheitseinschränkende Maßnahme, etwa das Einschließen des Bewohners in einem Zimmer, vornehmen. Allerdings setzt dies voraus, dass eine andere Möglichkeit der Gefahrenabwehr, beispielsweise dem Bewohner aus dem Weg zu gehen oder ihn in Ruhe zu lassen, nicht besteht. 


Übersicht 2 zeigt Ihren Mitarbeitern, wie sie sich verhalten können, wenn es trotz aller Bemühungen zu einer Eskalation der Situation kommt. Zudem erhalten Sie Informationen, woran Sie zusätzlich denken sollten.


Fazit: Es ist nicht der Regelfall, dass Bewohner verbal oder körperlich gewalttätig werden. Wichtig ist jedoch immer, dass Ihre Mitarbeiter mit aggressionsgeschwängerten Situationen sachgerecht und überlegt umgehen, um eine Eskalation zu vermeiden. Denn wenn eine Situation, die bereits von Feindseligkeit geprägt ist, außer Kontrolle gerät, können Zwangsmaßnahmen, wie etwa das Einschließen des tobenden Bewohners oder die Überwältigung zur Fixierung, nicht immer vermieden werden. Ihre Mitarbeiter können mit drohendem und geringschätzigem Verhalten Ihrer Bewohner besser umgehen, wenn sie wissen, wie sie sich selbst, aber auch den Bewohner in solchen Situationen schützen können.


Übersicht 1:


So erkennen Sie Gewaltbereitschaft und reagieren richtig:

Gewaltvermeidendes Verhalten / Reaktion


  1. Benutzen Sie im Gespräch keine Floskeln, sprechen Sie nicht von oben herab.


  1. Zeigen Sie dem Bewohner, dass Sie ihn auch mit seinem Ärger oder seiner Angst ernst nehmen.


  1. Versuchen Sie, den Bewohner abzulenken, vielleicht den Ort zu wechseln, z. B. aus der Einrichtung oder dem Zimmer in den Garten.


  1. Sagen Sie dem Bewohner, dass Sie sich von ihm bedroht fühlen und es Ihnen damit nicht gut geht.


  1. Erklären Sie dem Bewohner, dass Sie wegen seines Verhaltens besorgt sind.



  1. Machen Sie dem Bewohner klar, dass Sie Ihre Aufgabe, die anderen Bewohner zu schützen, wahrnehmen müssen.


  1. Erklären Sie ihm, dass Sie sich gerne mit ihm einigen möchten. Fragen Sie, was Sie tun können, um diese bedrohliche Situation zu beenden.


  1. Sagen Sie dem Bewohner, dass Sie Gewalt zwar verabscheuen, in Ihrem Beruf aber manchmal selbst gezwungen sind, Gewalt anzuwenden, und dies dann auch tun.

Gewaltvermeidendes Verhalten / Reaktion


  1. Benutzen Sie im Gespräch keine Floskeln, sprechen Sie nicht von oben herab.


  1. Zeigen Sie dem Bewohner, dass Sie ihn auch mit seinem Ärger oder seiner Angst ernst nehmen.


  1. Versuchen Sie, den Bewohner abzulenken, vielleicht den Ort zu wechseln, z. B. aus der Einrichtung oder dem Zimmer in den Garten.


  1. Sagen Sie dem Bewohner, dass Sie sich von ihm bedroht fühlen und es Ihnen damit nicht gut geht.


  1. Erklären Sie dem Bewohner, dass Sie wegen seines Verhaltens besorgt sind.



  1. Machen Sie dem Bewohner klar, dass Sie Ihre Aufgabe, die anderen Bewohner zu schützen, wahrnehmen müssen.


  1. Erklären Sie ihm, dass Sie sich gerne mit ihm einigen möchten. Fragen Sie, was Sie tun können, um diese bedrohliche Situation zu beenden.


  1. Sagen Sie dem Bewohner, dass Sie Gewalt zwar verabscheuen, in Ihrem Beruf aber manchmal selbst gezwungen sind, Gewalt anzuwenden, und dies dann auch tun.

Übersicht 2:


So reagieren Sie in einer eskalierten Gewaltsituation mit einem Bewohner

Das können Sie tun, wenn die Situation eskaliert

  1. Lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, den Bewohner zu unterschätzen. Sorgen Sie dafür, dass Sie Hilfe bekommen.
  2. Bitten Sie einen Kollegen, einen Arzt oder die Polizei zu rufen, etwa wenn der Bewohner stark randaliert.
  3. Schützen Sie sich! Nehmen Sie Ihre Brille und gegebenenfalls auch Schmuck, durch den / mit dem Sie verletzt werden könnten, ab. Sorgen Sie für einen möglichst direkten und freien Weg zur Tür.
  4. Versuchen Sie, den Bewohner nicht zu reizen, und vermeiden Sie, dass er sich (weiterhin) bedroht fühlt. Bleiben Sie freundlich, auch wenn er Sie anschreit und (verbal) bedroht. Mit etwas Glück beruhigt er sich dadurch etwas.
  5. Versuchen Sie, den Bewohner in sein Zimmer oder einen Bereich zu bringen, in dem möglichst wenig andere Personen, die gefährdet werden könnten, sind.
  6. Wenn Sie die Gelegenheit haben, entfernen Sie gefährliche Gegenstände wie etwa Besteck, Gehstock, Blumentöpfe oder Vasen. Bringen Sie möglichst alles, was der Bewohner zum Schlagen oder Werfen nutzen könnte, außerhalb seiner Reichweite. Seien Sie dabei aber nicht hektisch!
  7. Besprechen Sie sich mit Ihren Kollegen, wer sich worum kümmert: Notruf absetzen, andere Bewohner beruhigen und gegebenenfalls wegbringen, eventuell freiheitsentziehende Maßnahmen vorbereiten.
  8. Fordern Sie den Bewohner auf zu kooperieren. Seien Sie direktiv. Die Eskalation ist nicht mehr der Moment für Diskussionen und Verhandlungen.
  9. Sollte der Bewohner von Ihnen und Ihren Kollegen überwältigt werden müssen, achten Sie darauf, so wenig Gewalt wie möglich anzuwenden.


Daran müssen Sie zum Schluss denken

  1. Dokumentieren Sie den Vorfall und auch eventuell aufgetretene Verletzungen beim betroffenen Bewohner.
  2. Wenn noch nicht geschehen: Informieren Sie so schnell wie möglich einen Arzt.
  3. Wenn Sie freiheitseinschränkende Maßnahmen durchführen mussten,
  4. erklären Sie dem Bewohner, dass alles nur geschehen ist, um ihm zu helfen.
  5. machen Sie deutlich, dass Sie keine andere Möglichkeit gesehen haben, um auch ihn zu schützen.
  6. Überprüfen Sie gegebenenfalls Fixiergurte daraufhin, dass sie korrekt angelegt sind, durch sie keine Verletzungen entstehen können und dass der Bewohner sich nicht selbst befreien kann.
  7. Stellen Sie im Fall einer Fixierung sicher, dass der Bewohner lückenlos überwacht wird, organisieren Sie gegebenenfalls eine Sitzwache.


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Sollten Sie Interesse an einem Deeskalationstraining in Ihrem Haus haben, dann kontaktieren Sie uns einfach.


Uwe Trevisan


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