Gewaltfreie Kommunikation! Können Worte auch Gewalt sein? Können Worte verletzen?

Immer wieder erlebe ich, das Gewalt als körperliche Aktion eingestuft wird. Doch wie ist es den mit der Sprache? Können Worte auch Gewalt sein?

Uwe Trevisan

von Uwe Trevisan

Gewaltfreie Kommunikation

Immer wieder erlebe ich, das Gewalt als körperliche Aktion eingestuft wird. Doch wie ist es denn mit der Sprache? Können Worte auch Gewalt sein? Können Worte verletzen?


In diesem Beitrag, geht es um die Gewalt in unserer Sprache.



Die Gewalt in unserer Sprache


Die Gewalt in unserer Sprache ist oft nicht so einfach zu entdecken, wir halten uns doch gern für sehr friedlich und friedliebend, sagen brav „bitte“ und „danke“, grüßen freundlich und entschuldigen uns, wenn wir jemandem weh getan haben.


Freundlichkeit und Höflichkeit sind jedoch nicht unbedingt ein Garant für eine gewaltfreie Haltung hinter unseren Worten.



Beobachten statt Werten


Marshall Rosenberg der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, spricht von lebensentfremdender Kommunikation, beispielsweise beim Vermischen von Beobachtungen und Bewertungen. Wir beurteilen gerne Menschen aufgrund ihrer Handlungen, erklären wie und wer sie sind, was eigentlich richtig wäre und wie sie sein müssten. Wir analysieren und interpretieren und stellen dies dann als allumfassende Wahrheit dar.


„Was ist...? Es stimmt doch, dass der Peter ein eigenbrötlerischer Faulenzer ist ...“


Versuchen wir genau zu beschreiben, was dieser Peter genau tut oder sagt, sodass wir ihn als „faul“ oder „eigenbrötlerisch“ bezeichnen, stoßen wir oft schon an unsere Grenzen. Wir sagen: „Der Peter drückt sich, wo es nur geht vor der Arbeit.“ Anstatt uns daran zu halten, was tatsächlich wahrgenommen wird: “Ich habe Peter heute zwei Stunden an seinem Arbeitsplatz gesehen.“ Ob der Peter gerade ein Projekt im Außendienst hat oder seine Mutter gestern ins Spital gekommen ist oder seine Tochter von der Schule fliegt, erfahre ich vielleicht erst Tage später oder nie. Bis dahin ist er erst mal ein fauler Hund.


So urteilen wir nach unseren moralischen Vorstellungen, teilen die Menschen in gute/böse, gerechte/ungerechte, kranke/gesunde ... ein.


Weitere Verurteilungen verstecken sich in unseren sogenannten Gefühlswörtern, wenn wir in unserer Sprache Formulierungen verwenden, die ein inneres Gefühl zu beschreiben scheinen, jedoch eine versteckte Anschuldigung bereithalten.


„Ich fühle mich hintergangen“ bezeichnet den Gesprächspartner indirekt als Betrüger.


Auch die Dinge, die wir zu uns selbst sagen, sind geprägt durch diese Muster. So ver- und beurteilen wir uns stets durch festverankerte Ideale: „Ich müsste viel geduldiger (achtsamer, ausgeglichener, konzentrierter, ...) sein.“, “Das dürfte mir einfach nicht passieren.“ „Um Gottes Willen, was bin ich nur für ein Vater/eine Mutter ...“



Abgabe von Verantwortung


Auch das Leugnen der eigenen Verantwortung beginnt in der Sprache. Ein markantes Beispiel dafür bringt die Geschichte, in der Adolf Eichmann während eines Kriegstribunals gefragt wurde, ob es denn nicht schwer gewesen wäre, Tausende von Menschen in den Tod zu schicken. Er meinte darauf, dass es kein Problem gewesen wäre, da er und seine Kollegen sich der so genannten Amtssprache bedienten. Diese Amtssprache ermöglichte ihm, sich selbst frei zu halten von der Verantwortung seiner Handlungen. So antwortete er beispielsweise auf die Frage, warum er das getan hatte, mit: „Ich musste das machen.“ Eine Formulierung, in der wir etwas machen müssen oder sollten, gibt uns die Idee, keine Wahl zu haben und somit frei von der Verantwortung für unser Tun zu sein.


Auch in unserer Alltagssprache verbirgt sich diese Ablehnung von Verantwortung:


„Logisch, dass ich ausgelaugt und erschöpft bin, so wie die mich alle ausnutzen.“ In diesem Beispiel glaubt die Person hilflos ihrem Umfeld ausgeliefert zu sein, keine Wahlmöglichkeit und keinen Handlungsfreiraum zu haben. Im Bewusstsein der eigenen Verantwortlichkeit für ihre Handlungen könnte die gleiche Mitteilung so klingen:


„Ich bin unglaublich erschöpft und ausgelaugt, es gibt bei uns in der Arbeit gerade unheimlich viel zu tun und ich schaffe es einfach nicht „nein" zu sagen, da hab ich viel zu viel Angst um meinen Job.“



Manipulation


Auch die verschiedenen Versuche, unsere Mitmenschen zu manipulieren, sind in unserer Sprache nicht immer offensichtlich. So formulieren wir höfliche Bitten und drohen im Nebensatz mit negativen Sanktionen. Auch Lob wird verwendet, um die Menschen zu gewissen Handlungen zu motivieren. “Ich bitte dich, übernimm du doch diese Aufgabe, du machst das immer so gut.“



Zensurierte Gefühle


Häufig versuchen wir auch unseren Mitmenschen ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse abzusprechen  „... sei nicht traurig ...“, „...davor brauchst du wirklich keine Angst zu haben ...“, „Kein Grund gleich wütend zu werden!“ Von Kindheit an werden in unserem Sprachgebrauch unsere Gefühle zensuriert, andere wissen anscheinend viel genauer, was wir fühlen dürfen und sollten. Wir sind dabei auf eine gesellschaftlich anerkannte Weise „übergriffig“.


Wir maßen uns an, zu wissen, wie sich eine Person fühlt und maßen uns an, zu bestimmen, welche Gefühle angebracht oder richtig wären. Kein Wunder, dass wir beginnen, die Verantwortung für unsere innersten eigenen Gefühle auch den anderen zuzuschieben.


Wir übernehmen also entweder die Verantwortung für die Gefühle und Bedürfnisse anderer Personen oder wir geben unsere Verantwortung für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse ab.


Dabei haben selbst die Babys ihr eigenes inneres Gefühlserleben, ihre Wahrheit ob etwas weh tut und wie sehr. Von außen kann niemand erkennen oder beurteilen, ob und wie sehr wir Menschen traurig, bestürzt, berührt, wütend, erregt ... sind. Wir können es höchstens erahnen. Und wenn wir dies versuchen, wenn wir versuchen, den anderen wirklich zu verstehen, gehen wir eine Verbindung ein, ein tiefes Interesse an der inneren Lebendigkeit unseres Gegenübers, ohne zu verurteilen, ohne zu bewerten, zu analysieren, zu kategorisieren, ohne es für gut oder schlecht zu befinden, ohne es verändern zu wollen.


Auf dieser Ebene ist ein Verstehen möglich, das akzeptiert und mitfühlt, aus dieser Haltung heraus resultiert einfühlsame Kommunikation mit uns selbst und mit dem anderen.



Gewaltfreie Sprache beginnt in unserer Haltung


Marshall Rosenberg sagt, dass Gewalt in der Sprache dann passiert, wenn es uns egal ist, wie es dem/der Anderen im Augenblick wirklich geht.


Solange wir also wirklich verstehen wollen, bleibt es nebensächlich, wie wir unsere Worte genau wählen, die Gewaltfreie Sprache beginnt in unserer Haltung, in unseren Gedanken...


Das ist das Herz der Gewaltfreien Kommunikation!